Stell dir vor, eine talentierte Fachkraft möchte sich bei dir bewerben – doch sie kann deine Karriereseite nicht bedienen. Vielleicht liegt es an einem Screenreader, der die Seite nicht richtig lesen kann. Vielleicht an zu kleinen Schaltflächen, die sich auf dem Smartphone nicht präzise anklicken lassen. Oder daran, dass die Stellenanzeige in einer Sprache verfasst ist, die unnötig kompliziert ist. Was auch immer der Grund ist – die Chance auf eine Bewerbung ist in diesem Moment verloren. Und mit ihr vielleicht dein nächster Top-Kandidat. Erfahre hier, worauf du für ein barrierefreies Recruiting achten musst.
In der Schweiz leben gemäss dem Bundesamt für Statistik rund 22 % der Bevölkerung mit einer Behinderung. Das ist mehr als jede fünfte Person – eine Zahl, die wir im Kontext der Personalrekrutierung nicht ignorieren können. Barrierefreiheit betrifft aber nicht nur Menschen mit dauerhaften körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Auch temporäre oder situative Einschränkungen gehören zum Alltag: Ein Elternteil mit Baby auf dem Arm, dem das Tippen schwerfällt. Ein gebrochener Arm verhindert die intuitive Bedienung des Computers. Unterwegs blendet die Sonne den Bildschirm. Stress erschwert den Abschluss komplexer oder mehrteiliger Aufgaben.
Barrierefreiheit nützt also nicht „nur“ den Betroffenen – sie hilft uns allen. Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens in eine Situation kommen, in der Barrieren zur Hürde werden. Barrierefreies Design sorgt dafür, dass in keiner Lebenssituation Talente verloren gehen.
Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen, geistigen oder sensorischen Fähigkeiten – uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten und Funktionen haben. Im Recruiting-Kontext geht es dabei nicht nur um Inklusion aus sozialer Verantwortung – es geht um Chancengleichheit im Bewerbungsprozess. Und letztlich auch um deinen Erfolg als Arbeitgeber: Denn Barrieren im digitalen Bewerbungsprozess wirken wie unsichtbare Stoppschilder – und lassen Talente abspringen, bevor sie überhaupt die Chance hatten, sich zu zeigen.
Im Recruiting bedeutet das konkret:
Barrierefreiheit im Recruiting ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Wer digitale Barrieren abbaut, verschafft sich Zugang zu einem viel grösseren Kreis potenzieller Bewerber. Du erreichst nicht nur Menschen mit dauerhaften Einschränkungen, sondern auch jene, die sich in temporären oder situativen Hürden befinden. Ob mobil unterwegs, mit Seheinschränkung oder ohne perfektes Deutsch – je zugänglicher deine Stellenanzeigen und Karriereseiten sind, desto mehr Talente fühlen sich angesprochen.
Barrierefreiheit sendet auch ein klares Signal: Du meinst es ernst mit Vielfalt, Chancengleichheit und Respekt. Eine barrierearme Karriereseite zeigt nicht nur soziale Verantwortung – sie ist Ausdruck und Beweis einer inklusiven Unternehmenskultur. Das wissen auch junge Talente zu schätzen, die ein modernes, diverses Arbeitsumfeld erwarten.
Und nicht zu vergessen: In der Schweiz rückt das Thema digitale Barrierefreiheit immer mehr in den Fokus – in der öffentlichen Verwaltung ebenso wie in der Privatwirtschaft. Mit der Umsetzung internationaler Standards wie den WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines) bist du auf der sicheren Seite und für die Zukunft gerüstet – nicht nur technisch, sondern auch ethisch und strategisch.
Barrierefreiheit beginnt nicht erst bei der Programmierung – sondern schon bei der Sprache, dem Layout und der grundsätzlichen Gestaltung deiner Karriereseite. Oft sind es Kleinigkeiten, die eine grosse Wirkung haben. Hier sind sechs konkrete Massnahmen, mit denen du deine Inhalte zugänglicher machst.
1. Einfache Sprache statt Buzzword-Bingo
Die beste Stellenausschreibung nützt nichts, wenn sie nicht verstanden wird. Komplexe Fachbegriffe, verschachtelte Sätze und leere Floskeln schrecken ab. Formuliere klar, aktiv und direkt. Beispiel: Statt „Wir erwarten eine hohe intrinsische Motivation“ lieber: „Du bringst Eigeninitiative mit“.
Auch optisch solltest du Klarheit schaffen: Klare Absätze, Zwischenüberschriften, Aufzählungen und eine gut lesbare Schriftgrösse helfen, die Inhalte schnell zu erfassen – auch auf kleinen Bildschirmen oder bei Konzentrationsschwierigkeiten.
2. Guter Kontrast, besser lesen
Hellgraue Schrift auf weissem Hintergrund sieht edel aus – aber viele können sie einfach nicht lesen. Achte auf einen starken Kontrast zwischen Text und Hintergrund. Das hilft Menschen mit Sehschwäche, aber auch allen, die unterwegs bei Sonnenlicht auf den Bildschirm schauen. Tipp: Mit Tools wie dem Contrast Checker von WebAIM kannst du deine Farbwahl kostenlos überprüfen.
3. Responsive Design ist Pflicht
Ein Grossteil der Bewerbungen erfolgt heute über mobile Geräte. Eine unübersichtliche oder fehleranfällige Karriereseite auf dem Smartphone wirkt wie ein Filter – nur leider in die falsche Richtung. Achte auf ein responsives Design, das auf allen Geräten funktioniert. Alle Inhalte, Schaltflächen und Formulare sollten sich automatisch an die Bildschirmgrösse anpassen. Klingt technisch – ist aber längst Standard in jedem modernen CMS.
4. Stellenanzeigen für Screenreader zugänglich machen
Für viele Menschen ist ein Screenreader das wichtigste Hilfsmittel, um sich in digitalen Inhalten zurechtzufinden. Dabei handelt es sich um eine Software, die Bildschirmtexte, Schaltflächen und Formularelemente vorliest oder in Brailleschrift ausgibt – für Menschen mit Sehbehinderungen oder Blindheit, aber auch für Menschen mit bestimmten Lern- oder Leseschwierigkeiten.
Damit ein Screenreader richtig funktioniert, benötigt er strukturierte HTML-Elemente, semantisch richtig gesetzte Überschriften und Alternativtexte für Bilder. Ohne diese technischen Grundlagen bleibt die Seite für viele Nutzer unzugänglich.
Wichtig: Vermeide es, Informationen ausschliesslich über Bilder zu vermitteln – oder statische PDFs zu verwenden, die nicht vorgelesen werden können. Was auf den ersten Blick „grafisch ansprechend“ erscheint, kann in der Praxis eine digitale Sackgasse sein.
5. Bedienbarkeit per Tastatur sicherstellen
Nicht alle Menschen benutzen eine Maus – sei es aufgrund einer körperlichen Einschränkung oder einfach, weil sie mobil unterwegs sind. Alle Funktionen deiner Seite – insbesondere Formulare – sollten vollständig über die Tastatur bedienbar sein.
Das heisst: Alle Buttons, Links und Eingabefelder müssen mit der Tabulator-Taste erreichbar sein, und die Navigation durch die Seite sollte einer logischen Reihenfolge folgen. Auch Aktionen wie „Absenden“ sollten per Enter-Taste ausgelöst werden können. Vermeide versteckte Navigationselemente oder komplexe Menüs, die sich nur mit der Maus bedienen lassen – und teste deine Seite selbst einmal ganz ohne Maus. Du wirst schnell merken, wo es hakt.
6. Barrierefreie Formulare
Jemand hat deine Anzeige gefunden, gelesen, überzeugt – und scheitert dann am Bewerbungsformular. Das kommt leider immer noch häufig vor. Denn viele Formulare sind unübersichtlich, schlecht beschriftet oder verlangen unnötige Pflichtangaben, die nicht für jede Person einfach (oder schnell) zu erfüllen sind. Nicht jede Person hat einen lückenlosen Lebenslauf oder alle Dokumente sofort griffbereit. Flexibilität macht deinen Prozess menschlicher – und barrierefreier.
Achte auf einen klar strukturierten Aufbau, gut sichtbare Beschriftungen für jedes Feld und verständlich formulierte (Fehler-)Meldungen, wenn etwas fehlt oder falsch eingegeben wurde. So wissen Bewerbende genau, was zu tun ist.
Barrierefreiheit sollte auch im Recruiting zum Standard werden. Denn gutes Recruiting bedeutet nicht nur, die richtigen Leute zu finden, sondern ihnen auch den Weg zu ebnen. Schon kleine Anpassungen machen einen grossen Unterschied – für Menschen, die sonst ausgeschlossen wären. Und für Arbeitgeber heisst das: Sie erreichen mehr Talente, stärken ihr Image und zeigen, dass Inklusion bei ihnen nicht nur auf der „Über uns“-Seite steht, sondern gelebt wird.